Um die Produktion der Ressource Holz in unseren Wäldern in einen ganzheitlichen, systematischen Prozess zu transformieren, ist es unerlässlich ein tieferes Wissen und Verständnis für das Ökosystem Wald zu erlangen. Sensing Technologien sind hier wichtige Werkzeuge. Durch Monitoring mit Satelliten oder Aerial Analysis kann man den Wald digitalisieren und tatsächliche Bestände greifbar machen. Umweltsensoren können darüber hinaus tiefere Einblicke in Abhängigkeiten innerhalb der Ökosysteme gewähren und machen so nachvollziehbar, wie der Mensch diese beeinflusst. Der Verband aus Mensch, Ökosystem und Technologie ist Grundlage für politische Ökologie und somit für kommende Klimastrategien.
Der Soziologe Bruno Latour entwickelte das Konzept der Critical Zone (1). In der gleichnamigen Ausstellung am Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe wird es seit 2020 zusammen mit verschiedenen Planetary Observatories (2) dargestellt. Dieser Ansatz betrachtet den menschlichen Einfluss auf die Erde und und richtet den Blick auf verschiedene kritische Zonen. Denn hier manifestiert sich das Zusammenspiel der Lebensformen und es wird deutlich, wie diese die Geographie der Erde verändern. So werden die grundlegenden ökologischen Prozesse unserer natürlichen planetaren Systeme, die normalerweise stumm im Hintergrund verlaufen, durch datenbasierte Beobachtung abgebildet, quantifiziert und so zum Untersuchungsgegenstand gemacht. Um die Allgegenwart menschlichen Einflusses im Zeitalter des Anthropozäns (3) nachzuvollziehen, ist dieser Perspektivwechsel essentiell. Bis heute besitzt der Mensch teilweise wenig Wissen über bestimmte Ökosysteme und die Bedeutung von Biodiversität. Im Gegensatz zur Artenvielfalt kann man Biodiversität nur schwer quantifizieren, denn sie umfasst nicht nur die reine Vielzahl an Arten, sondern die Spannweite zwischen Micro und Macro, zwischen Bakterien und deren Auswirkungen auf das Mikroklima. Biodiversität ist jedoch die Grundlage aller Lebensformen, auch der des Menschen.
Im Sinne solcher planetarer Observatorien bietet der fokussierte Blick digitaler Technologien jedoch Einblicke in die hoch komplexen Zusammenhänge eines Waldökosystems, in die Folgen des Klimawandels sowie des menschlichen Wirtschaftens.
Jennifer Gabrys geht einen Schritt weiter und untersucht in ihren Projekten die Potentiale die Sensing Technologien bieten. Nicht nur hinsichtlich der Erforschung der Ökosysteme, sondern auch wie Sensing Technologien zivilgesellschaftliches Engagement in umweltrelevanten Themen fördern (4).
Was sind die entsprechenden Technologien und welche Handlungsanweisungen lassen sich aus ihnen ableiten?
Wir wissen, dass Waldumbau ein wichtiger Faktor ist, um die Klimaanpassungsfähigkeit der Wälder zu unterstützen. Hinzu kommt, dass der Bedarf nach Rohholz weiter steigen wird und die Forstwirtschaft deshalb Resilienz, Wirtschaftlichkeit und Ressourcenbereitstellung vereinen muss. Wendet die Forstwirtschaft entsprechend Sensing Technologien an, um ein tieferes Verständnis für den Zustand des Waldes zu schaffen, besteht die Möglichkeit, den Waldumbau nicht nur zu gestalten, sondern gar zu modellieren. Sensing Systeme sind datenbasiert und damit werden Erkenntnisse reproduzierbar, übertragbar und sogar vorhersehbar. Modellierung bedeutet also, dass man vorhersagen kann, wie sich der Waldumbau und bestimmte Anpassungen des Pflanzenbestandes auf die weitere Entwicklung des Ökosystems auswirken werden. Mit anderen Worten: Handlungen der Forstwirtschaft werden nicht nur im Sinne des Ertrags quantifizierbar, sondern auch hinsichtlich der Verbesserung der Sequestrationsleistung, des Waldklimas, der Artenvielfalt und Erosion.
Technologien wie Satelliten Monitoring werden angewendet, um die Entwicklung der Landnutzung zu überwachen, aber auch um Naturschutzgebiete auszuweisen und zu beobachten. Bilder aus Befliegungen helfen, den Wald zu digitalisieren und Umweltsensoren bieten den detailliertesten Blick auf verschiedenste Elemente des Ökosystems. Viele dieser Technologien finden in Bezug auf Intensitäts- und Ertragsüberwachung auch in der Landwirtschaft Anwendung. Die Potentiale sind jedoch noch nicht ausgeschöpft.
1) Satelliten
Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz werden Bilddaten von Satelliten ausgewertet und tragen so zu einer Nachvollziehbarkeit langzeitlicher Veränderungsprozesse in der Landnutzung bei. Konkret können diese Daten Aufschluss darüber geben welche Ausdehnung eine Nutzung in der nahezu vollkommen domestizierten Umwelt einnimmt und wie sich diese Ausdehnung über große Zeitspannen hinweg verändert. So wird das Ein- und Vordringen des Menschen in die Wälder weltweit nachvollziehbar. Aber auch die Folgen des menschengemachten Klimawandels werden deutlich. Satelliten zeigen Waldbrände, Verwüstung und Waldsterben.
(2) Aerial Analysis
Durch die Auswertung von Orthofotos aus Befliegungen lassen sich heute Wälder umfassend digitalisieren und kartografieren. Bestände werden dabei genauestens aufgenommen und indizieren nicht nur Baumarten, Flächentypen und Holzvorrat, sondern lassen auch Rückschlüsse über Zustand, Alter und Wachstum der einzelnen Bäume zu. Dieser Ansatz bietet damit mehr Möglichkeiten des Ressourcenmanagements und des abwägenden Eingriffs in bestehende Ökosysteme (5).
(3) Sensoren
Sensoren und deren systematische Anwendung bietet den detailreichsten Einblick in den Zustand von Ökosystemen und auf welche Art und Weise sich Stressfaktoren auf deren Kreisläufe auswirken. So lässt sich nicht nur gezielt der Einfluss menschlichen Handelns abbilden, sondern auch der Erfolg oder das Versagen gezielter Maßnahmen elaborieren.
Man unterscheidet zwischen Messinstrumenten, die einerseits Wachstum und physiologische Prozesse (z.B. Dendrometer und Saftflusssensor) und andererseits Witterungsstress (Temperatur, Humidität, etc.) aufzeichnen. So wird die Reaktion der Bäume auf Klimafaktoren nachvollzogen.
Auch im Sensorbereich gibt es optische Monitoring Systeme wie z.B. Lidar, welches eine Form des dreidimensionalen Laserscannings darstellt. Lidar wird zur Fernmessung und zur hochauflösenden und modellhaften Repräsentation der Umgebung in den Bereichen Vermessung, Geodäsie, Archäologie, Geografie, Geologie, Seismologie, Meteorologie und Forstwirtschaft verwendet.
Mit den Erkenntnissen der hier beschriebenen Methoden lassen sich Simulationen entwerfen, die nicht nur abbilden, sondern gar vorhersagen, wie sich unsere Wälder durch die Eingriffe und das Wirtschaften der Menschen verändern. Wendet man Daten, die durch Befliegungen gesammelt wurden, um Wälder zu digitalisieren auf eine längeren Zeitraum an, erhalten intelligente Algorithmen die Möglichkeit, Muster innerhalb der forstwirtschaftlichen Prozesse zu erkennen. So kann genau bestimmt werden, wie sich das Schlägern bestimmter Bäume auf die umstehenden Bäume und Pflanzen auswirken wird (5).
Da Sensing Technologien nachvollziehbar machen, wie Menschen die Ökosysteme beeinflussen, bieten sie die Möglichkeit, nachhaltiger zu wirtschaften und mutuale Systeme zu erschaffen, in denen alle Beteiligten profitieren. Da der Wald eine Infrastruktur der Suffizienz – also eine versorgende Infrastruktur ist – hilft so die Digitalisierung Planern und Entscheidungsträgern entsprechend mit dieser Ressource umzugehen und die Herausforderungen der Kopplung urbaner und ökologischer Systeme ganzheitlich anzugehen. Dabei ist es essentiell diese bis heute unabhängigen Technologien auf Verwaltungsseite zu vereinen und in Entscheidungsprozesse einzubinden.
Bibliography
1. Bruno Latour, Das terrestrische Manifest, 2017
2. ZKM (Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe), “Critical Zones” ↗
3. Brenner, N., The Hinterland Urbanised?, 2016 ↗
4. Gabrys, J., “Smart Forests and Data Practices: From the Internet of Trees to Planetary Governance, 2020 ↗
5. Röding, E. et al., Spatial heterogeneity of biomass and forest structure of the Amazon rain forest: Linking remote sensing, forest modelling and field inventory, 2017 ↗
Complex Team (Living Systems)
Julia Dorn
Daniel Dieren
Martin Bittmann
Leonard Schrage
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