Holz dient verschiedenen Branchen als Rohstoff. Von der Bauindustrie bis hin zum Papiergewerbe finden sich verschiedene Abnehmer und Zwischenhändler, die ihre Waren aus der Forstindustrie beziehen. Entlang dieser Wertschöpfungskette erbringt jedoch nur ein Akteur Klimaleistungen: Der Wald speichert nicht nur im Holz der Bäume, sondern in der gesamten Biomasse sowie im Waldboden große Mengen CO₂ (pro Hektar Wald rund acht Tonnen CO₂). Die Forstwirtschaft stellt den Rohstoff Holz bereit und kann mit einer nachhaltigen Bewirtschaftung die CO₂-Speicherkapazitäten der Wälder erhöhen und zusätzlich den Wald resilienter gegen Klimaextreme machen. Analog zur Landwirtschaft gibt es deshalb eine intensive Debatte darüber, wie diese Leistung honoriert werden kann.
Forstwirtschaft hat eine lange Tradition in Deutschland. Seit dem 18. Jahrhundert und durch Ansätze des Bergrates Hans Carl von Carlowitz gilt der Grundsatz, dem Wald nicht mehr Holz zu entnehmen als nachwächst. Doch dieser Ansatz konnte nicht verhindern, dass hocheffiziente Wälder zwar einem enormen Holzbedarf gerecht wurden, aber dafür wenig resilient sind. So waren nach dem Zweiten Weltkrieg und trotz Reparationszahlungen deutsche Wälder dank monokultureller Bewirtschaftung besonders produktiv.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hatte die Gesamtmenge an Holz in den deutschen Wäldern ein Volumen erreicht, wie es höchst wahrscheinlich seit dem Mittelalter nicht mehr vorkam (1). Heute ist fast ein Drittel der Fläche Deutschlands bewaldet. Davon ist die Hälfte in privater Hand, wovon wiederum viele kleinteilige WaldbesitzerInnen sind (2). Immer mehr dieser (kleinen) Wälder sind zunehmend durch den Klimawandel bedroht. Um Wälder zu erhalten und dabei der Verantwortung der WaldbesitzerInnen gegenüber der Erholungsfunktion (Haftung bei Unfällen durch herabstürzende Äste) gerecht zu werden, sind viele auf eine wirtschaftliche Kultivierung angewiesen.
Im Jahr 2020 wurden in den deutschen Wäldern 80,4 Millionen Kubikmeter Holz eingeschlagen (3) – so viel wie nie zuvor seit der deutschen Vereinigung – während die deutsche Forst- und Holzwirtschaft jährlich rund 170 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Betrachtet man die Wertschöpfung entlang der Lieferkette Holz wird deutlich, dass ganz am Anfang der Produktionskette wenig von der Preissteigerung des vergangenen Jahres zu spüren ist. Die Anbieter von Rohholz profitieren derzeit kaum von der wachsenden Nachfrage: Die Rohholzpreise (= Erzeugerpreise der Produkte des Holzeinschlags) stiegen zuletzt zwar moderat an, lagen aber im Februar 2021 um 2,3 % unter dem Stand des Vorjahresmonats und weit unter dem Niveau des Jahres 2015 (-27,3 %). Insgesamt stiegen die Erzeugerpreise für bearbeitetes Holz dagegen überdurchschnittlich. Im März 2021 lagen sie für Holz (gesägt, auch gehobelt oder imprägniert) um 13,9 % über dem Vorjahresmonat. Am stärksten stiegen die Preise für Nadelschnittholz, dazu gehören Dachlatten, Bauholz oder Konstruktionsvollholz. (+20,6% zum Vorjahresmonat) (3).
Es zeigt sich also, dass diejenigen, die unter den zunehmenden Klimastressfaktoren wirtschaftlich am meisten zu leiden haben, jene sind, die den Erhalt der Ökosysteme und deren Klimaleistungen verantworten. Deshalb wird von vielen gefordert, dass die Mitigationsleistung der Wälder finanziell honoriert werden soll, da auf der anderen Seite ebenfalls CO₂-Zertifikate für die Einsparung von Kohlenstoffemissionen vergeben werden und handelbar sind. Auch das Ministerium unter Leitung der bisherigen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner schloss sich dieser Ansicht an. Das entworfene Konzept sieht dabei zwei Stufen vor: erstens die wirtschaftliche Honorierung der Bewirtschaftung resilienter Wälder (Nachweis durch Nachhaltigkeitszertifikate) und zweitens die Förderung langlebiger Holzprodukte zur langfristigen Speicherung von CO₂ (4).
Seit 2018 haben die Wälder in Deutschland starke Hitzewellen, Trockenheit und Stürme erlebt, welche die Gefahr von Waldbränden und Insektenbefall stark erhöhen. Schädlinge wie der Borkenkäfer breiten sich in geschwächten Bäumen besonders schnell aus – mit gravierenden Folgen für den Waldbestand. Obwohl in 2020 der Holzeinschlag so hoch war wie nie, gingen im vergangenen Jahr 53,8 % des gesamten Holzeinschlags auf Insektenschäden (43,3 Millionen Kubikmeter) zurück. Der gesamte Schadholzeinschlag betrug rund 60,1 Millionen Kubikmeter. Damit war die eingeschlagene Schadholzmenge insgesamt im Jahr 2020 fast fünfmal so hoch wie 2015 (3). Die deutsche Regierung reagiert mit Kompensationsförderungen zur Entfernung des Schadholzes und zur Wiederaufforstung mit einem Hilfspaket von insgesamt 1,5 Milliarden Euro (1).
Doch die Rufe nach Extensivierung und einem natürlichen Nachwachsen zerstörter Waldflächen wird immer lauter. Extensivierung bedeutet, dass Waldflächen, die abgestorben sind, nicht vom Totholz befreit und wieder aufgeforstet werden, sondern über einen längeren Zeitraum ohne das Zutun der Försterei nachwachsen. Studien haben gezeigt, dass sich dieses Vorgehen positiv sowohl auf die Biodiversität der Flora und Fauna, sowie auf die Feuchtigkeit des Waldbodens auswirkt, da sich mehr Moose und Pilzkulturen bilden, die die Feuchtigkeit des Bodens bewahren. Wie sich der Baumbestand dadurch allerdings entwickeln wird, ist schwer abzuschätzen. So gibt es zum ersten Mal finanzielle Förderungen der Regierung für Waldbesitzer, die ihren Wald naturnah nachwachsen lassen und nicht im Sinne eines Wirtschaftswaldes neu anpflanzen. Die neue Ampel-Regierung geht sogar einen Schritt weiter und hat in ihrem Koalitionsvertrag festgesetzt, das Bundesgesetz entsprechend anzupassen, um die Zahl der naturbelassenen Wälder zu erhöhen und die Abholzung von Buchen-Altbeständen in öffentlichem Besitz zu beenden (1).
Bei dem Thema der Extensivierung stehen sich jedoch zwei Seiten in einer sich intensivierenden Debatte gegenüber. Denn für viele scheint der Ruf nach Extensivierung nicht abbildbar. Bei der Abwägung gilt es folgende Faktoren zu berücksichtigen.
(1) Waldschutz
Viele Wälder müssen akut geschützt werden, um sie vor der Zerstörung zu retten. Seit 2018 sind erst 2,5% der Wälder in Deutschland zerstört worden, während andererseits jedoch Fichten- und teilweise Buchenbestände in besonders gefährdeten Gebieten wachsen. So stehen sich 300.000 ha zerstörter Wälder und allein 2.2 Millionen ha mit gefährdeten Fichtenbeständen gegenüber (= Flächen mit führender Baumart Fichte auf Risikostandorten) 5. Hier sind besonders Nadelbäume gefährdet, die in 2020 mit 70,2 Millionen Kubikmetern mehr als vier Fünftel (87,3%) des gesamten Holzeinschlags ausgemacht haben und wichtige Konstruktionshölzer sind (3). Es ist also Handeln gefragt, wobei Waldumbau der ausschlaggebende Faktor ist. Denn einerseits sind Altbäume wenig anpassungsfähig und deshalb am stärksten von Hitzestress und Trockenheit betroffen und andererseits sind die Artenzusammensetzung oder Monokulturen häufig wenig widerstandsfähig.
(2) Wirtschaftsfaktor
Mit jährlichen Umsätzen von bis zu 180 Millionen ist die Forst- und Holzwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftssektor für Deutschland, der 1,1 Millionen Arbeitsplätze stellt. 2020 exportierte Deutschland insgesamt rund 12,7 Millionen Kubikmeter Rohholz im Wert von 845 Millionen Euro. Im Vergleich zum Jahr 2019 ist dies eine mengenmäßige Steigerung um mehr als ein Drittel (42,6%). Die steigende Nachfrage aus dem In- und Ausland, die Angebotsverknappung auch aufgrund der Beschränkungen im Holzeinschlag sowie der Baukonjunktur haben einen preistreibenden Effekt auf die Außenhandelspreise für Rohholz: Der Index der Ausfuhrpreise dieser Produktgruppe stieg im Vergleich zum Vorjahresmonat um 11,0% (3). Die Erhaltung bestimmter Wirtschaftszweige, die besonders umsatzstark sind und viele Arbeitsplätze stellen, ist ein viel diskutiertes Thema in Klimadebatten. Transformation wird entsprechend differenziert wahrgenommen.
(3) Holzwerkstoffe als nachhaltige Ressource
Holz ist einer der wenigen nachwachsenden Baustoffe, die die dringend notwendige Transformation der Baubranche gewährleisten können und bleibt damit eine Ressource, auf die die Gesellschaft angewiesen ist.
Aktuell liegt der Fokus in der Forst- und Holzwirtschaft klar auf der Fichte, die sich bisher als Konstruktionsholz bewährt hat und zudem durch Standards und Normen klar anderen Hölzern gegenüber favorisiert wird. So sind die Maschinen der Sägeindustrie auf Fichten und generell Nadelhölzer hin optimiert. Da diese Baumgruppen und deren intensive Produktion jedoch besonders anfällig für Klimaeffekte sind, ist das ein klares Zeichen an das holz-verarbeitende Gewerbe und die Baubranche, Ansätze und Techniken zu innovieren. Hier besteht über die Regulierung der Nachfrage je Holzart ein wichtiges Steuerungspotential für den Waldumbau.
Die Produktionskette im Holzbau beginnt mit der Holzernte: Die Bäume werden zunächst von Hand ausgewählt und dann entweder mit einer manuellen Kettensäge oder mit hochmechanisierten Erntemaschinen gefällt. Die Stämme werden in Sägewerken entrindet, geprüft und schließlich nach den Kriterien Holzart, Qualität, Länge und Durchmesser sortiert. In Trockenkammern kann das Holz innerhalb weniger Tage auf den gewünschten Feuchtigkeitsgehalt getrocknet werden. Wenn besonders formstabiles Holz oder eine glatte Oberfläche gewünscht wird oder wenn aus dem Schnittholz verleimte Produkte hergestellt werden sollen, ist ein Hobelvorgang notwendig (6).
Betrachtet man die verschiedenen Baustoffe im Vergleich, tritt die enorme Speicherfähigkeit von Holz deutlich hervor. Zugleich wird vor Augen geführt wie groß, die Substitutionswirkung von Holzwerkstoffen gegenüber Beton, Stahl oder anderen mineralischen Baustoffen ist und welches Potential somit im Holzbau steckt.
Die Förderung des Holzbaus ist aufgrund seiner Substitutions- und Mitigationswirkung ein wünschenswertes und erklärtes Ziel sowohl der Baubranche als auch der europaweiten Politik. Das bedeutet aber auch, das lokale Wälder den steigenden Bedarf für den (urbanen) Holzbau decken, nach wie vor als Rohstofflieferant gelten und entsprechend bewirtschaftet werden müssen. Der nächste Artikel geht dabei im Detail auf das Abwägen zwischen Ökosystemleistungen und Waldumbau im Sinne der nachhaltigen Forstwirtschaft ein.
Bibliography
1. Gabriel Popkin, Forest Fight, 2021 ↗
2. Bundeswaldinventur ↗
3. Statistisches Bundesamt ↗
4. Waldgipfel ↗
5. Bolte, A. et al., Zukunftsaufgabe Waldanpassung, 2021 ↗
6. Kaufmann, H. et al., Atlas Mehrgeschossiger Holzbau: DETAIL Atlas. 2017 ↗
Complex Team (Living Systems)
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Daniel Dieren
Martin Bittmann
Leonard Schrage
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